Fasciale Manipulation nach Prof. Dr. Carla Stecco
Ein Modell mit manuellen Techniken zur Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates
Ein mehrtägiger Kurs mit Prof. Dr. Carla Stecco.
Fascien fanden erst vor Kurzem wissenschaftliches Interesse. Seit ca. 20 Jahren gibt es zunehmend Publikationen und Kongresse.
In vorangegangenen Jahrzehnten haben viele Medizinstudenten im Anatomiekurs diese Schicht schlicht „wegpräpariert“.
Fascien sind Bindegewebsschichten, die sich unter der Haut erstrecken und Muskeln sowie Muskelgruppen umgeben, verbinden oder trennen. Sie führen Blutgefäße und Nerven mit sich.
Forschung und Behandlungsstrategie der fascialen Manipulation nach Stecco berücksichtigt die Fascien, die mit dem Bewegungsapparat verbunden sind.
Verkleben oder verdichten sich diese Fascien, kann Schmerz entstehen. Durch Kompensationsmuster des Körpers können Entstehung und Ort des körperlichen Schmerzes, der den Patienten zum Arzt führt, weit entfernt liegen.
Über myofasciale Ketten kann anatomisch nachvollzogen werden, wie Kraft und Bewegung über mehrere Gelenke und ganze Körperregionen miteinander in Verbindung stehen. Den Fascien steht dabei eine überragende Rolle zu.
Der ganzheitliche Ansatz findet in der Fascienforschung eine wichtige Bedeutung.
Luigi Stecco, der Vater von Carla Stecco, ist seit 30 Jahren intensiv mit der Fascienforschung beschäftigt.
Er ist ausübender Physiotherapeut und bemüht, seine klinischen Beobachtungen am Patienten wissenschaftlich zu fundieren. Er hat umfangreiche anatomische Forschung betrieben.
Seine Kinder, Professor Dr. Carla Stecco und Dr. Antonio Stecco, arbeiten gezielt fortwährend daran, das klinische Konzept ihres Vaters wissenschaftlich zu untermauern.
Entstanden ist so in vielen Jahren ihr Modell der „fascialen Manipulation„.
Der Körper wird in Stecco’s Behandlungskonzept in 14 Bewegungssegmente eingeteilt. Vom Kopf, Hals zu den Armen, dem Rumpf und den Füßen.
Im Evolutionsprozess des Menschen entwickelte der Mensch die aufrechte Körperhaltung.
Diese aufrechte Körperhaltung wird wiederum hauptsächlich durch myofasciale Einheiten gewährt, die in 3 Ebenen wirken:
– In der Frontalebene neigen wir die Körperebene seitwärts.
– In der Transversalebene rotieren wir nach außen oder innen.
– In der Sagittalebene beugen wir uns im Körper vor und zurück.
Ein Beispiel: Der Fuß nimmt Geländeunebenheiten wahr. Das Sprungbein balanciert höher liegende Segmente in Vorwärts- und Rückwärtsbewegung, bestimmte Wadenmuskeln wirken wie Mastleinen und stabilisieren das Schienbein gegen den Fuß. Die Oberschenkelmuskulatur, wie der vordere Streckapparat, kontrollieren die Stellung im Kniegelenk. Diese Regulierung benötigt eine exakte Grundspannung der Fascien, nur dann kann diese jede Abweichung der Grundspannung wahrnehmen. Ändert sich diese Grundspannung aufgrund einer krankhaften Verhärtung der Fascien, wie z.B. durch eine Verletzung oder zwanghafte Körperhaltungen, kommt es aufgrund der abnormalen Spannung zu einer Reaktion der betroffenen Nervenrezeptoren. Es erfolgen Kompensationsmuster. Alle Kompensationen im Körper dienen der Beibehaltung eines gewissen Spannungsgleichgewichtes der Fascie und ermöglichen die Wahrnehmung in den 3 Ebenen.
Die fasciale Kompensation des menschlichen Körpers zielt also auf die Linderung von Schmerzen ab.
Eine anhaltende Verhärtung/ Verletzung in einem fascialen Koordinationszentrum führt zu Schmerzen, der Körper versucht diese zu neutralisieren und versucht innerhalb der myofascialen Ketten erneut ein Spannungsgleichgewicht herzustellen. So kann mit der Zeit in einigen Fasciensequenzen der Prozess der Kompensation verstärkt werden.
Eine Grundlage zum Therapieansatz ist die Annahme der „Densifikation“, der Verdichtungen/ Verklebungen, wonach Fascien mit verminderten Gleiteigenschaften zu Dysbalancen und Schmerzen führen. Bei einer körperlichen Untersuchung eines Patienten können somit bei der Beurteilung der Körperhaltung diese Faktoren mitberücksichtigt werden.
Auf welcher der drei Ebenen haben sich Kompensationsmuster ergeben?
Was kann die Ursache für so eine Kompensation sein?
Die Kunst des Therapeuten ist nun eine Hypothese zu kreieren bezüglich der beteiligten Sequenzen und der zu behandelnden Ebene. Anamnese und körperliche Untersuchung gehen voraus.
Zur Therapie:
Die verringerte Fascienelastizität führt zu einer Koordinationsstörung zwischen den Muskelfasern einer myofascialen Einheit. Das Prinzip der Therapie in der „fascialen Manipulation“ beruht darauf, dass das Bindegewebe der Fascien in der Lage ist, seine Elastizität unter Druckeinfluss zu verändern und ursprüngliche Elastizität zurück zu gewinnen.
Mit z.B. den Fingern (oder dem Ellenbogen) des Behandlers/ der Behandlerin wird durch Reibung eine lokale Wärmeerhöhung erzielt. Es folgt eine gewollte lokale Entzündung, um den erkrankten Anteil an nicht gleitendem Bindegewebe zu erhöhen, also Proteinabbau und Neuaufbau zu begünstigen.
Frisches, “ unverklebtes“ Bindegewebe wird vom Körper so neu aufgebaut.
Das gesunde Gleiten der Fascien wird wiederhergestellt.
Fasciale Manipulation stellt somit eine Form der manuellen Therapie dar.
In diesem ersten Kurs mit Professor Dr. Carla Stecco wurde von ihr auch der Bezug zu anderen Behandlungsmethoden aufgezeigt. Viele myofasciale „Punkte“, also die von ihr erforschten fascialen Koordinationszentren der Bewegungseinheiten, entsprechen weitgehend vielen klassischen Akupunkturpunkten.
So ergibt sich für mich in meiner täglichen Praxis eine interessante Synergie verschiedener Behandlungsmöglichkeiten aus der manuellen Therapie und der klassischen Akupunktur.
Die wissenschaftliche Arbeit wird von den 3 Stecco’s und ihren Assistenten vorangetrieben.
Ein weiterer Fortsetzungskurs für Ärzte ist in Planung.
Dr.med. Sylvia Graffunder, Dezember 2019.